Nun gelten Geschlechterrichtwerte für Unternehmen

Sie treten im Jahr 2021 an die Spitze ihrer Unternehmen: Michèle Rodoni (50) übernimmt ab Januar als Mobiliar-Chefin eine der grössten Versicherungen des Landes. In Rümlang im Kanton Zürich übernimmt die Maschinenbau- und Luftfahrttechnikerin Sabrina Soussan (51) im April die operative Leitung des weltweit führenden Schliesstechnik-Konzerns Dormakaba. Und die Zügel in der Hand eines der grössten Schweizer Reiseveranstalters Hotelplan hat ab Januar die Betriebsökonomin und Juristin Laura Meyer (39). Mit den drei Neuberufenen steigt der Frauenanteil in den Geschäftsleitungen der Schweizer Unternehmen weiter an. Noch nie gab es so viele neue Chefinnen. Doch die Politik will mehr und entschied im Sommer die Einführung von Geschlechterrichtwerte für Verwaltungsräte und Geschäftsleitungen grosser Unternehmen. Die dafür notwendige Änderung des Aktienrechts tritt im Januar 2021 in Kraft.

Nun müssen grosse, börsenkotierte Unternehmen mit Sitz in der Schweiz mindestens 30 Prozent der Verwaltungsratsposten mit Frauen besetzen. In der Geschäftsleitungen reichen nach dem Willen des Gesetzgebers 20 Prozent Frauenanteil. Die Unternehmen haben nun fünf (Verwaltungsrat) respektive zehn Jahre (Geschäftsleitung) Zeit, diese Richtwerte zu erreichen. Werden diese Richtwerte nicht eingehalten, ist das Unternehmen verpflichtet, im Vergütungsbericht an die Aktionäre die Gründe anzugeben und die Massnahmen zur Verbesserung darzulegen.

Experten zuversichtlich

Für Guido Schilling ist klar, die Firmen können diese Ziele erreichen. Der Headhunter untersucht den Frauenanteil in Leitungsgremien schon seit 2006. Für den angestrebten Frauenanteil in Verwaltungsräten ist er sehr zuversichtlich. Schwieriger sei es bei der Besetzung von Geschäftsleitungsmitgliedern, der Frauenanteil beträgt zur Zeit 10 Prozent. Hier benötige man internes Know-How, Wegrekrutieren von anderen Firmen sei keine nachhaltige Lösung. Deswegen müssten Firmen weiblichen Nachwuchs intern fördern. Doch viele Firmen hätten dies erkannt, so der Headhunter: «Die Firmen sind sich bewusst, dass sie die Frauen entwickeln müssen. Sie haben mittlerweile eine starke Durchmischung im mittleren Management und ich bin sehr zuversichtlich, dass Frauen in den angestrebten Zeiträumen auch ganz oben ankommen.»

Headhunterin Doris Aebi begrüsst die jüngste Entwicklung in der Schweizer Unternehmenswelt ebenfalls. Sie gibt jedoch zu bedenken, dass die Schweiz noch viel weiter sein könnte und macht den internationalen Vergleich. Gemäss dem European Women on Boards-Netzwerk steht die Schweiz an Platz 14 von 17, was den Frauenanteil bei Geschäftsleitungen betrifft. «Der Hauptgrund, weshalb die Schweiz im europäischen Vergleich im hinteren Teil liegt, sind die noch immer stark zugeschriebenen Geschlechterrollen.» Diese würden sich in der Schweiz hartnäckig halten, sagt die Headhunterin. Zudem müssten Frauen die beruflichen Netzwerke noch besser nutzen. Doris Aebi ortet weiterhin eine «noch immer ungenügende Vereinbarkeit von Familie und Beruf», die dafür sorge, dass die Schweiz im internationalen Vergleich hinten liege.

Die neuen Chefinnen von Mobiliar, Dormakaba und Hotelplan sind ein weiterer Schritt, die Geschlechterrichtwerte zu erreichen. Doch nach wie kommen zahlreiche grosse Schweizer Unternehmen noch nicht an die geltenden Richtwerte heran. Nun gibt ihnen das revidierte Aktienrecht noch fünf bis zehn Jahre Zeit.

Ein Beitrag erschienen am 3. Januar 2021 auf www.srf.ch: Weiterlesen

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