Armut in der Schweiz: Kein Geld für Weihnachtsgeschenke: «Ich schäme mich als Vater»

Die Vorweihnachtszeit kann mit Unsicherheit und Sorgen verbunden sein. Denn: Einige Eltern können ihren Kindern keine Weihnachtsgeschenke kaufen. Betroffene erzählen. 1,25 Millionen Menschen gelten in der Schweiz als armutsgefährdet. Viele Familien können sich keine Weihnachtsgeschenke für ihre Kinder leisten. 20 Minuten hat mit Betroffenen gesprochen.

Weihnachten steht vor der Tür. Während viele in den nächsten Tagen noch die letzten Einkäufe machen und die Päckchen bereitlegen, ist bei anderen aus finanziellen Gründen gar nicht an Weihnachtsgeschenke zu denken. Betroffene aus der 20-Minuten-Community erzählen.
 

M.W. (41) aus dem Kanton Bern: «Während die Mitschüler von Geschenken schwärmen, muss ich meine Kinder enttäuschen»

«Für meine 15- und dreijährigen Töchter kann ich mir keine Geschenke leisten. Wegen der steigenden Inflation und aufgrund meines niedrigen Lohnes liegt das dieses Jahr einfach nicht drin. Während die Mitschüler meiner Kinder von tollen Geschenken schwärmen, muss ich sie enttäuschen. Das tut weh. Ich schäme mich als Vater. Ich habe zwar verständnisvolle Töchter, die nicht explizit nach Geschenken fragen. Trotzdem ist es hart, weil ich weiss, dass sie sehr gerne ein neues Handy oder Nike-Schuhe hätten. An Weihnachten werden wir dennoch eine schöne Zeit miteinander verbringen. Geplant ist ein Spaziergang und ein gemeinsames Essen. Obwohl wir auch hier auf den Preis achten müssen, kann man auch mit günstigen Lebensmitteln etwas sehr Feines zaubern.»
 

N.S. (43) alleinerziehende Mutter aus Zürich: «An Weihnachten ist da gar nicht mehr zu denken»

«Ich arbeite täglich zehn Stunden in zwei verschiedenen Jobs, um über die Runden zu kommen – morgens für einen Kurierdienst und nachmittags als Pflegerin. Teilweise weiss ich kaum, wie ich meine Miete bezahlen soll. An Weihnachten ist da gar nicht mehr zu denken. Es fehlt schlicht und einfach das Geld, um meinen Kindern etwas zu Weihnachten zu schenken. Sie wünschen sich Kleider und Spiele. Dass ich ihnen diese Wünsche nicht erfüllen kann, bricht mir das Herz.»
 

B.O. (45) Landwirtin aus dem Kanton Obwalden: «Am schlimmsten ist es für mich jeweils an Heiligabend»

«Obwohl ich, mein Mann und unsere 14- und 16-jährigen Söhne, sieben Tage die Woche ackern, sind wir nur schon froh, wenn wir unsere Rechnungen bezahlen können. Gerne hätte ich meinem älteren Sohn neue Schutzhandschuhe und dem jüngeren ein neues Glas für die beschädigten Rückspiegel seines Töfflis geschenkt – das geht aber nicht. Am schlimmsten ist es für mich jeweils an Heiligabend, wenn unter dem Christbaum keine Geschenke liegen. Daran sind unsere Kinder aber leider schon gewöhnt. An Heiligabend werden wir aber dennoch festlich essen mit Produkten vom eigenen Hof: Immerhin das können wir unseren Söhnen bieten.»
 

«Es trifft vor allem die Ärmsten unserer Gesellschaft»

Niels Jost, Sprecher bei Caritas Schweiz bestätigt, dass die Teuerung dazu führen kann, dass Personen mit knappem Budget noch weniger Geld zur Verfügung haben und sich keine Weihnachtsgeschenke leisten können. «Alles wird derzeit teurer, das trifft vor allem die Ärmsten unserer Gesellschaft.» «Besonders an Weihnachten sind diese Umstände für Armutsbetroffene hart und schmerzhaft. Bei einigen löst das psychischen Stress aus.» Generell steige derzeit die Anzahl Personen, die am Existenzminimum leben, an, so Jost. «Aber auch immer mehr Personen aus dem unteren Mittelstand haben kaum Geld für Weihnachten oder andere spezielle Angelegenheiten.» In der Schweiz sind laut Jost 745’000 Personen armutsbetroffen, 157’000 sind trotz Erwerbsarbeit arm. Unter ihnen sind überdurchschnittlich viele Familien mit drei und mehr Kindern.
 
Weiterlesen - ein Beitrag von Thomas Sennhauser vom 19.12.2023 auf www.20min.ch

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