Woher kam der Mini-Babyboom?

Corona hat die Geburtenzahlen richtig aufgewirbelt, besonders in der Schweiz. Doch 2023 sieht es wieder ganz anders aus.

Grosseltern verloren, Arbeit pausiert, am Familienzuwachs gearbeitet: Die Corona-Pandemie hat unser Leben vielseitig beeinflusst. Exakt neun Monate nach der «ausserordentlichen Lage» zeigte sich sodann auch ein bisher unerwarteter Effekt bei den Geburten.

Noch vor der Pandemie war die Geburtenzahl in der Schweiz rückläufig. Zwischen Dezember 2020 und März 2021 wurde dann aber eine richtige Geburtenwelle registriert. Im Vergleich zur Vorjahresperiode kam es zu einer Zunahme von 4.5 Prozent (+934), wie die neuesten Zahlen des Bundesamts für Statistik (BFS) zeigen.

Das Muster wiederholte sich beim zweiten Shutdown: Zwischen Juli und Oktober 2021 kamen hierzulande 5.5 Prozent (+1629) mehr Kinder zur Welt als in der gleichen Vorjahresperiode – in der Deutschschweiz sogar 6 Prozent mehr.

Die Geburtenwelle in Zusammenhang mit dem Shutdown im Winter 20/21 wurde nicht nur in der Schweiz, sondern auch in anderen Ländern wie Frankreich, Italien und Spanien beobachtet. «Bei der zweiten Geburtenwelle hingegen handelt es sich um eine schweizerische Besonderheit», so Fabienne Rausa vom BFS.

Ein aussergewöhnliches Phänomen

Aus historischer Sicht ist dieser Kindersegen überraschend. Bei früheren, ähnlichen Ereignissen wie der Spanischen Grippe könne man kein solches Muster beobachten, erklärt Kaspar Staub. Der Historiker und Epidemiologe an der Uni Zürich hat in seiner Studie zur Geburtenrate der Schweiz erstmals die jüngst beobachtete Zunahme in einem historischen Kontext untersucht.

«Bei vergangenen Krisen und Pandemien sieht man, dass sie normalerweise einen negativen Einfluss haben auf die Geburtenrate», sagt Staub. «Ungefähr neun Monate nach dem Pandemie-Höhepunkt kommt jeweils ein kurzer, deutlicher Taucher». Gründe dafür könnten verschobene Schwangerschaften, Einflüsse von Virenerkrankungen auf natürliche Aborte, aber auch eine veränderte Fruchtbarkeit sein.

«Dieser Rückgang, den man bei vergangenen Pandemien in der Schweiz das ein oder andere Mal gesehen hat – 1890, 1918, 1920, 1957, hat bei Corona so nicht stattgefunden», sagt Staub. «Es war überraschenderweise eher das Gegenteil.»

«Einer der Gründe, wie man sich das erklärt, ist die zusätzliche Zeit zu Hause – mehr Kinderzeugungen», erklärt Staub. «Zudem sehen wir den Boom auch am Ende des Shutdowns. Da könnte eine Art Optimismus dazu beigetragen haben.»

Nach dem Anstieg kommt der Fall

Gut möglich, dass der Kinderwunsch aber lediglich zeitlich vorgezogen wurde. 2022 war die Geburtenrate so niedrig wie seit den 1870er-Jahren nicht mehr, wie das Forschungsteam um Staub herausfand. Zusätzlich war der Rückgang der Geburten ab Januar 2022 stärker als der Anstieg der Geburten im Jahr 2021.

Der erste Teil des Rückgangs im Jahr 2022 fällt laut Studienautoren auf die Empfängnismonate in der ersten Hälfte des Jahres 2021, als die Impfkampagne in der Schweiz begann. «Da jedoch der Anteil der bis zum Sommer geimpften jüngerer Menschen noch gering war, kann die Impfung den Rückgang der Geburtenrate nicht erklären.»

Der schon vor der Pandemie eingesetzte Geburtenrückgang scheint sich 2023 der Untersuchung nach fortzusetzen – auch wenn «nicht substanziell». Die Forschenden gehen von einer möglichen Verbindung mit der «zunehmend unsicheren wirtschaftlichen Situation in der Schweiz» aus.

So oder so: Der Corona-Babyboom war nur von kurzer Dauer.

Weiterlesen - ein Beitrag von SRF erschienen am 06.12.2023

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