Es geht um unsere Zukunft, wir müssen Familien jetzt finanziell entlasten

Der ehemalige Neuenburger FDP-Staatsrat Philippe Gnaegi ist heute Direktor von Pro Familia. Er fordert mehr Geld für Familien – und erklärt, wieso die Kosten dafür sich am Ende lohnen. Das neue «Familienbarometer» zeichnet ein düsteres Bild. Die grosse Mehrheit der Familien glaubt, dass sich ihre Zukunft insbesondere finanziell in den nächsten drei Jahren verschlechtern wird. Philippe Gnaegi ist Direktor von Pro Familia. Die Organisation hat die Studie gemeinsam mit der Vorsorgeversicherung Pax in Auftrag gegeben. Gnaegi warnt: «Wir müssen die Familien jetzt finanziell entlasten. Es geht um unsere Zukunft.» 

Sie sind seit sechs Jahren Direktor von Pro Familia, haben auch ein Buch über die Schweizer Familienpolitik geschrieben. Überraschen Sie die Resultate des Berichts?
Dass so viele Familien in der Schweiz aus Geldnot auf medizinische Behandlungen verzichten müssen, ist erschreckend. Ganz allgemein zeigt der Bericht sehr deutlich auf: Vielen Familien in der Schweiz fehlt es an finanziellen Ressourcen. Ich hätte nicht erwartet, dass so viele Familien pessimistisch in die Zukunft schauen.

Wieso ist der Blick in die Zukunft so düster?
Die Familien befürchten, dass die Kosten weiter ansteigen werden. Das betrifft sie sehr direkt und macht Angst. Probleme wie die Polarisierung der Gesellschaft, geopolitische Spannungen und selbst der Klimawandel werden zwar auch wahrgenommen, aber weniger bedrohlich für das unmittelbare Glück der Familie.

Können sich heute schlicht nicht mehr alle Menschen in der Schweiz Kinder leisten?
Im Moment scheint das der Fall zu sein. Niemand darf in die Armut abrutschen, wenn er Kinder hat. Einige Kantone versuchen, das über Familienergänzungsleistungen zu verhindern. Ich glaube, dass wir dafür sorgen müssen, dass die Grundversorgung auch für Familien bezahlbar bleibt, das Essen, die Energie, Medizin. Niemand soll auf medizinische Grundversorgung verzichten müssen, weil sie zu teuer ist.

Die Krankenkassenprämien steigen aber seit Jahren.
Es gibt Entlastungen für Familien, aber das reicht nicht. Für eine vierköpfige Familie ist der Anteil der Krankenkassenprämien an ihrem Budget oft immer noch viel zu hoch. Leiden Kinder unter der Armut, zieht das eine Negativspirale nach sich.

Wie entsteht diese?
Diverse Studien belegen, dass Kinder aus ökonomisch schwächer gestellten Familien mehr Mühe haben, gute Leistungen in der Schule zu erbringen, und sich öfter isolieren. Wenn es den Kindern nicht gut geht, steht es schlecht um die Zukunft der Schweiz. Die Familien brauchen jetzt Unterstützung.

Sie haben für die FDP Politik gemacht. Die bürgerliche Mehrheit im Parlament verhindert viele Vorschläge von links zur finanziellen Unterstützung der Familien …
Pro Familia ist eine politisch unabhängige Organisation. Ich denke aber nach wie vor ökonomisch und auch aus dieser Sicht kann ich sagen: Wenn wir jetzt Geld investieren in bezahlbare Kitas und Krankenkassenprämien und damit Familien entlasten, wird der «Return on invest» deutlich grösser sein.

Weiterlesen - ein Beitrag von Daniel Graf erschienen am 04.04.2023 auf www.20min.ch

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