Gerichtsurteil | Der Mann hat besser verhandelt? Die Frau soll trotzdem gleich viel verdienen

Ein Entscheid des deutschen Bundesarbeitsgerichts zu Equal Pay dürfte weitreichende Auswirkungen haben. Auch in der Schweiz gilt das Gleichstellungsgesetz vor Vertragsfreiheit. Eine Frau klagte gegen ihren Ex-Arbeitgeber. Die Firma zahlte ihrem Kollegen mit gleicher Qualifikation für dieselbe Arbeit mehr Lohn. Der Mann habe beim Lohn besser verhandelt. Das deutsche Bundesarbeitsgericht sprach der Frau Lohnnachzahlungen zu.

Frauen steht das gleiche Gehalt wie Männern zu, sie dürfen bei gleicher Leistung und gleicher Qualifikation lohnmässig nicht diskriminiert werden. Das ist gesetzlich und in der Verfassung so vorgeschrieben, nicht nur in der Schweiz, sondern auch in Deutschland. Nun hat das deutsche Bundesarbeitsgericht ein Grundsatzurteil für Equal Pay gefällt, wie deutsche Medien berichten. Eine Frau klagte gegen ihren Ex-Arbeitgeber, der einem Kollegen mit gleicher Qualifikation für dieselbe Arbeit 1000 Euro mehr bezahlte. Die Firma begründete dies mit der besseren Lohnverhandlung des Mannes und bezog sich auf den Grundsatz der Vertragsfreiheit. Doch das liess das Bundesarbeitsgericht nicht durchgehen und kippte die Entscheidungen zweier untergeordneter Gerichte, die dem Arbeitgeber recht gaben. Die unterschiedliche Bezahlung begründe die Vermutung der Diskriminierung wegen des Geschlechts, urteilte die Richterin.

«Männer und Frauen sind endlich gleichberechtigt»

Das Gericht sprach Klägerin Susanne Dumas 14’000 Euro entgangenen Lohn und 2000 Euro Entschädigung zu. «Seit 1949 steht es im Grundgesetz, heute ist es endlich in der Arbeitswelt angekommen: Männer und Frauen sind gleichberechtigt», sagte Dumas in einem Statement. Die Auswirkungen sind weitreichend. Denn wenn nun ein Arbeitnehmer mehr Lohn fordert, muss die Bezahlung von Arbeitnehmerinnen mit gleicher Qualifikation im selben Masse steigen. Ist das nicht der Fall, können sie ebenfalls vor Gericht ziehen und sich an diesem Urteil orientieren.

Verhandeln rechtfertigt auch in der Schweiz keine Lohnunterschiede zwischen Mann und Frau

In der Schweiz ist die Rechtslage vergleichbar, sagt Roger Rudolph, Experte für Arbeitsrecht und Professor an der Uni Zürich, zu 20 Minuten. «Mindestens auf längere Frist kann eine ungleiche Entlohnung von Frau und Mann nicht mit dem besseren Verhandeln eines Arbeitnehmers gerechtfertigt werden», so Rudolph. Nach einer begrenzten Zeit von etwa einem Jahr müsse die Lohndifferenz eingeebnet werden. Auch für Arbeitsrechtsspezialist und Rechtsanwalt Dr. Denis G. Humbert von der Arbeitsrechtskanzlei Humbert Heinzen Lerch ist die Lohnverhandlung keine Begründung für den höheren Lohn bei gleicher Voraussetzung. «Untersuchungen zeigen, dass Männer sich oft besser verkaufen können, aber ein höherer Lohn wäre bei gleicher Leistung und gleicher Qualifikation trotzdem klar diskriminierend», so Humbert. Dann könnte man auch in der Schweiz eine Klage wegen Lohndiskriminierung erheben, sagt Daniella Lützelschwab, Ressortleiterin Arbeitsmarkt und Arbeitsrecht beim Schweizerischen Arbeitgeberverband, zu 20 Minuten. «Nicht in jedem Betrieb gibt es aber für jede Frau einen Mann mit identischen lohnrelevanten Merkmalen zur Bestimmung des Vergleichslohns. Sei es, dass sie nicht gleich alt sind, nicht über die gleiche Anzahl von Dienstjahren verfügen oder sich bei den Arbeitspensen und den Funktionen unterscheiden», so Lützelschwab. Grundsätzlich sei es wichtig, dass man sich gut auf Bewerbungsgespräche vorbereite und auf die eigenen Stärken hinweise.

Weiterlesen - ein Beitrag von Fabian Pöschl erschienen am 18.02.2023 auf www.20min.ch

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