Weniger Stress: Lohn für pflegende Angehörige zahlt sich aus

Caritas zahlt pflegenden Angehörigen in den Kantonen Luzern und Zug einen Lohn. Ziel ist es, dies schweizweit zu tun.

Seit sechs Jahren pflegt Vincenza Pappalardo ihren heute 84-jährigen Vater. Als er eine Hirnblutung erlitt, beschloss sie, zu ihm zu ziehen und ihn zu pflegen. Seither kann sie nur noch in einem kleinen Pensum ihrer sonstigen Arbeit nachgehen.

Jährliche Kosten von 3.7 Milliarden Franken

Seit einem halben Jahr ist die 45-Jährige nun von der Caritas angestellt und erhält für die Pflege ihres Vaters einen Lohn von 35 Franken pro Stunde. Dies entlaste sie enorm. Sie habe jahrelang immer wieder Jobs für ein paar Monate gesucht. Wenn ihr Vater wieder mehr Pflege brauchte, musste sie wieder reduzieren. «Das ist ein Stress. In der Arbeitswelt musst du ja dann auch schauen, dass es irgendwie passt.» In der Schweiz pflegen fast 600'000 Menschen ihre Angehörigen. Freiwillig, ohne Bezahlung. Die Gefahr, in die Armut abzurutschen, weil die Angehörigen Pflege und Beruf nicht aneinander vorbeibringen, ist gross. Würde man all diese Angehörigen für ihre Betreuungsarbeit entschädigen, hätte dies Kosten von 3.7 Milliarden Franken pro Jahr zur Folge. Dies hat das Bundesamt für Statistik ausgerechnet.

Nicht nur Geld – auch Beratung

Die Caritas setzt seit einem halben Jahr genau da an. Was als Pilotprojekt begann, wurde inzwischen in den Kantonen Luzern und Zug fix eingeführt. «Wir sind auf grosses Interesse gestossen bei den pflegenden Angehörigen in den Kantonen Luzern und Zug. Wir haben aber auch gesamtschweizerisch Anfragen erhalten, wann dieses Angebot auch in anderen Kantonen gelte», sagt Veronika Lagger, Pflegeverantwortliche bei Caritas. Die Caritas zahlt allerdings nicht nur Lohn: Zum Angebot gehört auch, dass die Angehörigen professionelle Betreuung erhalten. Etwas, was Vincenza Pappalardo sehr schätzt: «Ich bin viel gelassener, weil ich weiss, dass ich nicht mehr alleine bin.» Pflegeleiterin Veronika Lagger besucht Vincenza Pappalardo regelmässig und berät sie. «Wenn sich ein neues Pflegeproblem ergibt, dann erhalte ich ein Feedback, wie ich mit der Situation am besten umgehen kann», sagt Vincenza Pappalardo. Es seien vor allem Frauen, die die sogenannte Care-Arbeit erledigen. Töchter pflegen ihre Eltern, Ehefrauen ihre Partner. Auch bei dem Pilotprojekt der Caritas sei das nicht anders. «Inzwischen haben wir 13 pflegende Angehörige angestellt. Vier stehen vor einem Vertragsabschluss», führt Veronika Lagger aus. Lediglich ein Viertel davon sei männlich.

Nur Pflege wird bezahlt

Sie sei dankbar, dass die Caritas gesehen habe, dass pflegende Angehörige Hilfe benötigen, sagt Vincenza Pappalardo. Allerdings wird nur die pflegerische Arbeit bezahlt. Die zusätzliche Betreuung ist dabei nicht enthalten. Das sind die gesetzlichen Grundlagen und darauf stützt sich die Caritas. Veronika Lagger sieht bei der Abgrenzung von Pflege und Betreuung durchaus offene Fragen: «Betreuung ist ein grosser Teil, den die pflegenden Angehörigen leisten, und der wird bei diesem Projekt tatsächlich so nicht entschädigt.» Und sie fügt hinzu: Die Gesellschaft müsse sich überlegen, was ihnen auch die freiwillige Betreuungsarbeit wert sei. Bei der Caritas sei man froh, dass immerhin die pflegerische Arbeit entlohnt wird. Und dass das Projekt bald auf die ganze Zentralschweiz ausgeweitet wird. In den Kantonen Obwalden, Nidwalden und Schwyz laufen Bewilligungsverfahren. Ziel sei es, dass Caritas pflegende Angehörige in der ganzen Schweiz anstellen und für ihre Arbeit bezahlen kann.

Weiterlesen - ein Beitrag erschienen am 17.01.2023 auf www.srf.ch

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