Keine abwechselnde Obhut - Kontakt zu den Kindern bleibt für einige Väter ein Wunschtraum

Verlassene Väter und entfremdete Kinder: Was im Fachjargon ganz nüchtern daherkommt, ist in der Realität eine Tragödie.

«Ich habe meine Kinder zuletzt im Frühling 2014 gesehen. Ich schreibe ihnen zu wichtigen Ereignissen in ihrem Leben. Die Situation heute ist die, dass ich jeden Monat meine Alimente an die Kindsmutter überweise, aber irgendein Zeichen von meinen Kindern habe ich seither nicht mehr gehabt.» Andreas Oppliger zieht eine bittere Bilanz seines siebenjährigen Kampfes um seine Kinder. Streit, Vermittlung, Hoffnung und Resignation – ein Wechselbad der Gefühle. Seine Tochter und sein Sohn wollen ihn nicht mehr sehen. Die Ex-Frau habe schwere Vorwürfe gegen ihn erhoben; Vorwürfe, die er bestreitet und für die er nie verurteilt wurde. Die Anschuldigungen führten dazu, dass das Verhältnis zu seinen Kindern nachhaltig zerrüttet wurde. Er hadert auch mit dem Schweizer Rechtssystem: «Es toleriert heute, dass Kinder dem einen oder anderen Elternteil vorenthalten werden. Man tut es als Kavaliersdelikt ab und handelt nicht aktiv dagegen.»

Mütter am längeren Hebel

Etwa 13'000 entfremdete Kinder gebe es in der Schweiz, schätzt der Verband GeCoBi. Er vertritt vor allem Männer- und Väterorganisationen. Für den Präsidenten Oliver Hunziker sitzen die Mütter grundsätzlich am längeren Hebel: «Es trifft meistens die Väter, weil bei einer Trennung die Kinder meist bei der Mutter verbleiben oder ihr gerichtlich zugesprochen werden.» Doch eigentlich könnte heute alles anders sein. Das Bundesgericht hat in mehreren Urteilen die alternierende Obhut zur Regel erklärt. Getrennte oder geschiedene Eltern sollen Kinderbetreuung und Erwerbsarbeit möglichst gleichmässig untereinander aufteilen. Sie dürfen sich aber nicht streiten.

Mehr Zeit für Betreuung

Das könnten Mütter ausnützen, weil sie wüssten, dass meist sie die Kinder bekämen, so Hunziker: «Wenn Konflikte geschürt werden, kann dies dazu führen, dass ein Gericht die alternierende Obhut verweigert. Dies, obwohl die Person, die den Konflikt schürt, jene ist, die in den Genuss der Obhut kommt.» Die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (Kesb) vermittelt bei Trennungsproblemen von unverheirateten Eltern. Dass Kinder abwechselnd bei Mutter und Vater leben, hat sich in der Schweiz noch nicht durchgesetzt, stellt auch sie fest. Ein Grund dafür sei das Verhalten der Väter vor der Trennung. Es sei der gleiche Grund, weswegen Kinder eher der Mutter zugesprochen würden, sagt Michael Allgäuer, Präsident der Kesb Zürich. «In Beziehungen ist es immer noch so, dass viele Väter leider nur einen kleinen Teil bei der Betreuung übernehmen. Wenn sie dann bei der Trennung einen viel grösseren Teil übernehmen wollen, ist das nicht so leicht machbar.»

Streit ums Geld

Dies, weil es schnell einmal ums Geld gehe. Der Vater möchte mehr für die Kinder da sein, dafür aber weniger arbeiten. Das störe die Mutter, wenn sie hauptsächlich die Kinder betreute und nun wieder in den Beruf einsteigen müsse. Hier begännen die Konflikte. Väter könnten das verhindern, wenn sie sich schon vor der Trennung in der Kinderbetreuung engagieren würden. So habe ein Vater grosse Chancen, im Leben seiner Kinder weiterhin eine grosse Rolle zu spielen, auch wenn die Mutter das verhindern wolle, so Allgäuer. Auch Andreas Oppliger würde heute vieles anders machen. Er hofft weiterhin auf ein Wiedersehen mit seinen Kindern. «Ich trage sie im Herzen, ich trage sie auf Bildern mit mir herum, ich habe sie in sehr schöner Erinnerung. Ich wünsche ihnen alles Gute, und meine Türe steht offen.»

Weiterlesen - ein Beitrag von Ruth Wittwer erschienen am 27. Juni 2021 auf www.srf.ch

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