Büezer nerven sich über das Homeoffice-Gejammer

Der ehemalige VBZ-Personalchef Jörg Buckmann kritisiert den Anspruch von Büroangestellten, weiterhin zu Hause zu arbeiten. Auch ein Bäcker und eine angehende Logistikerin kritisieren den «Homeoffice-Hype». In vielen Berufen ist es unmöglich, im Homeoffice zu arbeiten. Büezer erzählen, was sie an der Haltung von Büroangestellten stört. Der ehemalige VBZ-Personalchef Jörg Buckmann kritisiert die Erwartung von Büroangestellten, weiterhin zwischen Homeoffice und Präsenzarbeit wählen zu können.

Nachdem die Homeoffice-Pflicht gefallen ist, kehren viele zurück ins Büro. Dennoch werden Mischformen von Homeoffice und Präsenzarbeit vermehrt bestehen bleiben. Büezern hingegen bleibt Heimarbeit verwehrt: Sie haben Jobs, die ihre Präsenz vor Ort erfordern. In vielen Fällen handelt es sich bei ihren Berufen um Dienstleistungen, ohne die die Gesellschaft nicht auskommt.

«Grosse Freiheiten»

Diesen Berufstätigen stösst der Hype um das Homeoffice sauer auf. Nikolina Magdic (18), Logistik-Stiftin aus Schaffhausen, sagt, sie hätte auch eine KV-Lehre begonnen, wenn sie gewusst hätte, dass Corona kommt. «Ich würde auch gern mal später aufstehen und im Bademantel arbeiten.» Solche Geschichten höre sie von ihren Freunden, die eine Büro-Lehre machten. «Es ist schon etwas frech, wenn Büroangestellte nun verlangen, weiter Homeoffice machen zu wollen. Sie sind sich nicht bewusst, dass sie grosse Freiheiten geniessen», so Magdic. Der Bäcker Konditor Dominik (21) aus Volketswil findet Homeoffice grundsätzlich eine gute Sache. «Manche haben aber schon den Bezug zur Realität der Anderen verloren.» Er beginne seinen Arbeitstag um vier oder fünf Uhr morgens. Im Büro habe man oft ohnehin bessere Arbeitsbedingungen: «Manche sind sich nicht bewusst, dass man in anderen Jobs auch während Corona wie gewohnt weitergearbeitet hat. Wenn man sich dennoch ständig beklagt und nur die negativen Seiten sieht, geht das für mich schon in Richtung Undankbarkeit.»

«Gefahr einer Zweiklassengesellschaft»

Gemäss einer Umfrage von Comparis zum Thema Homeoffice arbeiten 50,9 Prozent der befragten Arbeitnehmenden mindestens während zehn Prozent ihres Pensums im Homeoffice. Personen mit hohem Bildungsgrad arbeiten häufiger mindestens 90 Prozent zuhause als Personen mit niedrigem und mittlerem Bildungsgrad (26 Prozent gegenüber 10,5 Prozent) (siehe Box). Jörg Buckmann, ehemaliger Personalchef bei den VBZ, beobachtet den Trend kritisch: «Es besteht die Gefahr einer Zweiklassengesellschaft. Denn die Wissensgesellschaft, also Akademiker und Leute mit höherem Bildungsabschluss, die ohnehin schon bessere Arbeitsbedingungen haben, könnten nun auch noch von zuhause aus arbeiten.» Der Büezer hingegen könne das nicht. Migros, Post und SBB seien typische Unternehmen, bei denen das nicht gehen werde.

«Wunschkonzert»

«Die Juristin sagt: Ich möchte künftig zwei Tage pro Woche zuhause arbeiten», so Buckmann. «Aber besprechen Sie das einmal mit ihrem Pöstler, Lokführer, mit der Kassiererin oder dem Polizisten.» Man müsse jetzt ein wenig aufpassen mit dem Wunschkonzert. Es gelte, den gesellschaftlichen Zusammenhalt im Blick zu behalten und ebenso die Arbeitgeber- und die Arbeitnehmer-Interessen in Einklang zu bringen. «Diese Diskussion ist in den Personalabteilungen ganz oben auf der Traktandenliste.» Es brauche klare Rahmenbedingungen, aber auch Fingerspitzengefühl.

Massgeschneiderte Lösungen

In einer Umfrage von Comparis gaben 49,1 Prozent der Befragten an, weniger als einen halben Tag, wenn überhaupt, zuhause zu arbeiten. 25 Prozent der Befragten, die ein Haushaltseinkommen von 8000 Franken pro Monat haben, gaben an, zu mindestens 90 Prozent im Homeoffice zu arbeiten. Bei den Befragten mit einem Einkommen zwischen 4000 und 8000 Franken waren es 14 Prozent der Befragten, bei Einkommen unter 4000 Franken 11,9 Prozent. Jörg Buckmann, ehemaliger Personalchef bei den VBZ, sagt: «Viele Leute haben Gefallen gefunden am Homeoffice. Der Mensch neigt ja dazu, für sich das Beste herauszuholen.» Das versuchten die Angestellten jetzt, indem sie für sich massgeschneiderte Präsenz- und Homeoffice-Lösungen anstrebten, sagt Buckmann, der heute selbständiger Berater ist. «Die Leute sagen: Ich komme schon zurück ins Büro. Aber am Mittwoch würde ich gerne von zuhause aus arbeiten, weil dann die Kinder zuhause sind. Und am Freitag ebenfalls. Das Rosinenpicken geht jetzt los.»

Weiterlesen - ein Beitrag von Carla Pfister und Claudia Blumer erschienen am 26. Juli 2021 auf www.20min.ch

Newsletter


Abonnieren Sie unseren vierteljährlich erscheinenden Newsletter, um über Neuigkeiten, Initiativen und Veranstaltungen zur Familienpolitik und zu Instrumenten zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu erfahren.

Archiv

Mit dem Absenden des Formulars bestätige ich, dass ich die Bedingungen in den Privacy policy gelesen und akzeptiert habe.