Was sich Schweizer Frauen wünschen, ist voller Widersprüche

Frauen mit Kindern möchten wenig arbeiten, aber später genug verdienen. Trotzdem landen sie spätestens mit dem zweiten Kind in traditionellen Rollen, das zeigt eine aktuelle Umfrage bei 6000 Schweizer Frauen.

50 zu 80, das ist, es wovon Schweizer Frauen im Jahr 2021 träumen. Zumindest sagen sie das, wenn sie gefragt werden, wie sie sich «den optimalen Erwerbsgrad für Mütter und Väter» vorstellen: Sie arbeitet Teilzeit zu 50 Prozent, er ist Hauptverdiener mit einer 80-Prozent-Anstellung. Dies ist eines der Resultate einer Umfrage, welche das Frauenmagazin Annabelle beim Forschungsinstitut Sotomo in Auftrag gegeben hat. Dafür haben 6380 Frauen online angegeben, wie zufrieden sie im Beruf, in der Partnerschaft und der Familie sind.

Das Erstaunliche daran: Die Frauen sehen vor allem bei den Männern Veränderungspotenzial. Über alle Bildungsniveaus und gelebten Familienmodelle hinweg sind sich die Frauen einig, dass Familienväter ihr Pensum reduzieren sollten. Was heute weniger als 10 Prozent der Väter tun. «Das ist eine grosse Diskrepanz zur Realität und kann als Forderung verstanden werden», interpretiert dies Studienautorin Sarah Bütikofer. Nur die Frauen unter 35 Jahren gaben an, dass sie sich eine Aufteilung von 60 zu 70 Prozent mit dem Partner, der Partnerin wünschen würden.

Die Hälfte der befragten Frauen verdient alleine zu wenig zum Leben

Ein Grossteil der Frauen verbleibt also freiwillig in kleinen Teilzeitpensen, wenn sie kleine Kinder haben, Aber, das zeigt diese Umfrage erneut, sie bleiben Geringverdiener, auch wenn die Kinder älter oder gar erwachsen sind. Daraus resultiert, dass 50 Prozent der befragten Frauen zwischen 17 und 89 Jahren angaben, dass ihr Lohn nicht reichen würde, um den Lebensunterhalt alleine zu bestreiten. Bei Frauen mit kleinen Kindern überrascht das wenig. Aber auch 72 Prozent der Frauen mit Kindern im Teenageralter und immer noch 62 Prozent der Frauen mit erwachsenen Kindern gaben an, alleine nicht genug zum Leben zu verdienen.

Berufliche Gleichstellung wird mit 50 Prozent-Pensum schwierig

Interessant und widersprüchlich wird es, wenn man sich ein paar andere Aussagen dazu anschaut. 60 Prozent der Frauen finden, dass die Gleichstellung zwischen den Geschlechtern im Berufsleben nicht verwirklicht sei. Und sehen bei der finanziellen Absicherung im Alter ein Problem. Nur ein Teilzeitpensum (auch von 50 Prozent) über längere Zeit führt unweigerlich dazu, dass die Berufserfahrung geringer ausfällt und damit auch das Salär und später das Pensionsgeld, schreiben auch die Studienautoren. Solang Frau, wenn sie Mutter wird, ihr Pensum massiv kürzt, wird es schwierig mit Gleichstellung im Berufsleben und auch im Haushalt.

Mütter sind unzufriedener – ausser wenn Corona ist

Auch macht die Umfrage deutlich, dass es vor allem die Mütter sind, die unzufrieden mit ihrer Lebensrealität sind. Sie beklagen zu wenig Zeit für sich, eine schlechte berufliche Position und (mit Kleinkindern) zu wenig Sex. Im Gegensatz dazu geben sich Frauen ohne Kinder in Paarbeziehungen, Singles oder auch Alleinerziehende in fast allen Aspekten mehr Zufriedenheitspunkte als die Mütter. Allgemein hadern alle befragten Frauen am meisten mit ihrem Aussehen, der Sexualität und ihrer Karriere. In der Corona-Pandemie scheinen die Familienfrauen aber zu den Gewinnern zu gehören: Sie schätzen die Auswirkungen auf ihre Familien- und Paarsituation mehrheitlich positiv ein. Grund dafür ist laut Studie die frei werdende Zeit infolge ausgefallener Veranstaltungen und Treffen. Wohingegen Singles und Alleinerziehende unter der Isolation leiden.

Mehr Engagement zu Hause vom Partner, der Partnerin

Die befragten Frauen gaben auch an, was ihrer Meinung nach für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf hilfreich wäre. 61 Prozent fanden, der Arbeitgeber müsse sich dafür mehr anstrengen. 55 Prozent gaben an, dass eine geteilte Verantwortung zu Hause mit dem Partner hilfreich wäre. Die Förderung von familienexternen Betreuungen kam erst an dritter (Krippen) und vierter Stelle (Ganztagesschulen).

Humor ist wichtiger als ein gleichberechtigtes Familienmodell

Auch hier scheint wieder der Wunsch auf, der Partner möge mehr anpacken zu Hause, um die Lasten von Beruf und Familie gemeinsam zu tragen. Doch wurden die Frauen gefragt, welche Eigenschaften ihnen bei ihren Partner oder Partnerinnen wichtig sei, kommt die «Bereitschaft zu gleichberechtigtem Familienmodell» erst an elfter Stelle (mit 44 Prozent). Viel höher gewichteten die Befragten «Verlässlichkeit» (86 Prozent), «Humor» (80 Prozent) oder «Über Gefühle reden zu können» (69 Prozent). Und dies nicht nur bei den älteren Frauen über 65 Jahren, sondern auch bei den ganz jungen Frauen zwischen 16 und 24 Jahren. Zynischerweise könnte man sagen, dass wer bei der Partnerwahl nur auf Humor und Verlässlichkeit setzt, sich dann auch nicht wundern sollte, wenn der Punkt «Überlässt im Haushalt vieles einfach mir» bei der Frage, was den am aktuellen Partner besonders nerve, ganz oben rangiert.

Wunsch und Realität klaffen auch bei den Frauen selbst auseinander

Noch einen augenscheinlich Punkt gibt es, bei dem sich die Erwartungen und Wünsche der befragten Frauen beissen: Obwohl die Hälfte der Frauen im Erwerbsalter angibt, in der Beziehung finanziell abhängig zu sein, finden es nur 20 Prozent besonders wichtig, dass der potenzielle Partner oder die potenzielle Partnerin genug Geld verdient, um die Familie zu ernähren. Fazit: Frau weiss wohin es gehen müsste in Sachen Gleichberechtigung, ortet den grössten Bedarf im Beruflichen und beim Partner, aber ist sich in manchen Bereichen auch noch ganz schön selbst im Weg.

Weiterlesen - ein Beitrag von Katja Fischer De Santi erschienen am 2. März 2021 auf www.aargauerzeitung.ch

Newsletter


Abonnieren Sie unseren vierteljährlich erscheinenden Newsletter, um über Neuigkeiten, Initiativen und Veranstaltungen zur Familienpolitik und zu Instrumenten zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu erfahren.

Archiv

Mit dem Absenden des Formulars bestätige ich, dass ich die Bedingungen in den Privacy policy gelesen und akzeptiert habe.