Karriere-Pause mit weitreichenden Folgen

Der berufliche Werdegang von Frauen verläuft – im Gegensatz zu demjenigen der Männer – häufig nicht linear. Eine Heirat und die Geburt eines Kinds haben erhebliche Auswirkungen auf die Berufstätigkeit. Vor allem Frauen leiden unter den Folgen in Bezug auf Lohnentwicklung, Karrieremöglichkeiten, Rente oder Scheidung.

Nach Abschluss ihrer Ausbildung ist die grosse Mehrheit der jungen Frauen vollzeitlich oder beinahe vollzeitlich erwerbstätig. Kinderlose Frauen sind bis Mitte 50 weiterhin in hohem Masse erwerbstätig, danach sinkt die Beschäftigungsquote. Frauen mit Kindern haben ein anderes, weniger lineares Karriereprofil. 50 Prozent aller Frauen mit Kindern zwischen 0 und 12 Jahren arbeiten mit einem Pensum von weniger als 50 Prozent (zirka 20 Prozent sind gar nicht erwerbstätig, und 30 Prozent arbeiten 50 Prozent oder weniger). Mit zunehmendem Alter der Kinder kehren die Frauen in den Arbeitsmarkt zurück, jedoch häufig nur an einen Teilzeitarbeitsplatz. Diese Verringe­rung der Erwerbsquote kann auf eine Entscheidung der Eltern zurückzuführen sein, aber auch auf externe Bedingungen, wie fehlende oder zu teure Kinderbetreuungseinrichtungen.

Im Durchschnitt überrascht die Dauer der Unterbrechung während der gesamten beruf­lichen Laufbahn, denn diese liegt bei 9,2 Jahren. Für Frauen, die einen Abschluss auf tertiärer Ebene haben, beträgt die durchschnittliche Dauer 6,7 Jahre und entspricht einem Einkommensver­lust von etwa einer halben Million Franken.

Diese statistische Feststellung hat wichtige soziale und wirtschaftliche Folgen, sowohl auf der persönlichen als auch auf der gesellschaftlichen Ebene. Auf persönlicher Ebene beeinflusst die Unterbrechung der beruflichen Laufbahn das Lohnniveau und dessen Erhöhung, die Be­rufserfahrung, die Möglichkeit, von Weiterbildungsmassnahmen zu profitieren, die Wahrschein­lichkeit, eine Führungsposition zu übernehmen, die finanzielle Unabhängigkeit innerhalb der Partnerschaft und die Höhe der Altersrente. Auf gesellschaftlicher Ebene kosten uns diese Karriereunterbrüche Milliarden, sowohl in Bezug auf die Rendite der Investitionen in die Ausbildung als auch in Bezug auf den Verlust von Humankapital auf dem Arbeitsmarkt.2

Es ist wahr, dass eine rein wirtschaftliche Analyse nur partiell ist. Man muss sich jedoch be­wusst sein, dass zwei von fünf Ehen geschieden werden und die Frau, die ihre berufliche Karriere unterbrochen hat, in prekären Verhältnissen zurückbleibt.

Die Entscheidung, auf eine berufliche Karriere zu verzichten, um sich der Erziehung der Kinder zu widmen, muss respektiert werden. Eine Wahl setzt jedoch voraus, dass die Eltern sich der Konsequenzen bewusst sind und dass die Entscheidung reiflich überlegt wurde. Heutzutage ist festzustellen, dass die Option, die Berufstätigkeit zu reduzieren, hauptsächlich von Frauen «gewählt» wird. Die jüngste Geschichte erklärt diese Situation auch heute noch: So führte der letzte Schweizer Kanton das Wahlrecht erst 1990 ein, und das Schweizer Zivilgesetzbuch aner­kannte bis zum 31. Dezember 1987 den Mann als «Familienoberhaupt». Die Frau musste ihn um Erlaubnis fragen, um eine berufliche Tätigkeit ausüben zu können.

Die Welt hat sich verändert und entwickelt sich rasant weiter. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist Sache der Eltern (beider Elternteile und nicht nur der Frauen), aber auch der Gesell­schaft, welche die Rahmenbedingungen schaffen muss, um dies zu fördern.

Der Aspekt, der am schwierigsten zu ändern ist, ist jedoch der, der mit unseren Vorstellungen zusammenhängt. Diese hängen von der Geschichte unseres Landes, unserer Familien- und Bildungserziehung sowie dem sozialen und beruflichen Umfeld, in dem wir leben, ab. Im Schweizer Familienbarometer, das Pax und Pro Familia Schweiz am 14. März veröffentlichen werden (www.familienbarometer.ch), wurde ein weiteres Element zu dieser langen Liste hinzugefügt: die finanziellen Ressourcen. Für viele Familien ist es der Mangel an finanziellen Ressourcen, der 90 Prozent – laut der Umfrage – dazu veranlasst, ihre Erwerbsquote (eines oder beider Partner) zu erhöhen. Dieser schwierige Umstand wird unsere Gesellschaft jedoch sicherlich in Richtung einer grösseren Gleichberechtigung der Eltern so­wohl bei den Erziehungs- und Haushaltsaufgaben als auch bei den beruflichen Aufgaben weiterentwickeln.

Dr. Philippe Gnaegi ist Direktor von Pro Familia Schweiz. Er unterrichtet als Dozent an der Universität Freiburg und Neuchâtel im Bereich Sozialversicherung und Familienpolitik. Er wird am 18. April 2024 um 18.30 Uhr an der NZZ Live-Veranstaltung zum Thema «Kind und Karriere – ein Widerspruch?» mit weiteren Experten teilnehmen. Weitere Informationen und Tickets unter nzz.ch/live

Weiterlesen - ein Beitrag von Rebecca Darlington erschienen am 04.03.2024 auf www.nzz.ch

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