Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt: Schweiz legt ersten Staatenbericht vor

In ihrem ersten Bericht zur Umsetzung der Istanbul-Konvention fasst die Schweiz ihr Engagement im Bereich der Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt zusammen. Der Bundesrat hat den Bericht an seiner Sitzung vom 18. Juni gutgeheissen. Die Bestandsaufnahme betont auch die Bedeutung der Zusammenarbeit von Bund, Kantonen, Gemeinden und Zivilgesellschaft als Voraussetzung einer erfolgsversprechenden Präventionsarbeit.

 Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt sind in der Schweiz weit verbreitet und verursachen grosses Leid. Im Durchschnitt stirbt alle zweieinhalb Wochen eine Frau an den Folgen eines solchen Übergriffs. Schätzungsweise 27 000 Kinder sind jedes Jahr von häuslicher Gewalt mitbetroffen. Seit Jahren gibt es einen Trend zur leichten Zunahme. Mit 20 123 Straftaten wurde 2020 ein neuer Höchststand im Bereich der häuslichen Gewalt registriert.

Mit der Ratifizierung des Übereinkommens des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Istanbul-Konvention) hat sich die Schweiz per 1. April 2018 verpflichtet, die Prävention, den Opferschutz und die Strafverfolgung dieser Gewaltformen konsequent voranzutreiben.

Nun legt die Schweiz ihren ersten Staatenbericht zur Umsetzung der Istanbul-Konvention vor. Diese regelmässigen Berichte dienen dem Europarat als Grundlage, um zu überprüfen, wie die Mitgliedstaaten der Umsetzung der Istanbul-Konvention nachkommen. Entsprechend umfasst der erste Staatenbericht der Schweiz eine Bestandsaufnahme aller Aktivitäten zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt.

Sensibilisierung für die Problematik hat zugenommen

Die Istanbul-Konvention hat in der Schweiz eine neue Dynamik ausgelöst: Die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt ist in den Fokus politischer Debatten gerückt. In der Legislaturplanung 2019–2023 hat der Bundesrat entschieden, die Bekämpfung von geschlechtsspezifischer Gewalt als eines der zentralen Handlungsfelder der Gleichstellungsstrategie 2030 zu definieren. Das Parlament hat ausserdem beschlossen, einen nationalen Aktionsplan zur Umsetzung der Istanbul-Konvention in die Legislaturplanung aufzunehmen. Bund und Kantone haben im Rahmen des Strategischen Dialogs «Häusliche Gewalt» eine Roadmap mit Massnahmen zur Bekämpfung von häuslicher Gewalt unterzeichnet, darunter etwa eine zentrale Telefonnummer für Gewaltbetroffene. Auf kantonaler und kommunaler Ebene wurden ebenfalls zahlreiche Aktions- und Massnahmenpläne zur Umsetzung des Übereinkommens verabschiedet.

Auf nationaler Ebene können seit diesem Jahr Projekte zur Bekämpfung und Verhütung von Gewalt gegen Frauen von privaten und öffentlichen Organisationen mit Finanzhilfen des Bundes unterstützt werden. Im Bereich Schutz und Unterstützung ist seit 2019 die Plattform www.opferhilfe-schweiz.ch online, die Opfern von Gewalt Informationen und Unterstützung bietet.

Das schweizerische Recht vermag den Anforderungen der Konvention insgesamt zu genügen. Das Bundesgesetz über die Verbesserung des Schutzes gewaltbetroffener Personen ist seit dem 1. Juli 2020 wirksam. Die Bestimmung über die elektronische Überwachung von zivilrechtlichen Rayon- oder Kontaktverboten tritt auf den 1. Januar 2022 in Kraft.

Ausserdem hat die Kommission für Rechtsfragen des Ständerates im Frühjahr 2021 eine Vernehmlassung zu einer Revision des Sexualstrafrechts durchgeführt. Neu soll der Tatbestand der Vergewaltigung geschlechtsneutral formuliert und sexuelle Handlungen gegen den Willen einer Person sollen angemessen bestraft werden, auch wenn keine Gewalt oder Drohungen vorliegen. Mit letzterer Änderung soll der strafrechtliche Schutz von Opfern von sexuellen Übergriffen verbessert werden.

Der Staatenbericht zeigt: Die Umsetzung der Istanbul-Konvention ist eine kollektive Aufgabe, die mit vereinten Kräften von unterschiedlichen Politikfeldern, in Zusammenarbeit mit Kantonen und Gemeinden und unter Einbezug der Zivilgesellschaft erfolgen muss. Die Bekämpfung von Gewalt an Frauen und häuslicher Gewalt hat für den Bundesrat weiterhin höchste Priorität.

Prüfung durch unabhängige Expertengruppe folgt

Der erste Staatenbericht der Schweiz dient als Ausgangspunkt für das Monitoring durch die unabhängige Expertengruppe GREVIO (Group of experts on action against violence against women and domestic violence). Die Expertengruppe wird der Schweiz nach Prüfung des ersten Staatenberichts im März 2022 einen Länderbesuch abstatten und im Rahmen des Untersuchungsergebnisses bis Ende 2022 Empfehlungen an die Schweiz formulieren.

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